Die Augen, der Blick und der Augenblick. Den Yogis ist der Blick so wichtig, dass man dem Potenzial der yogischen Blickrichtung einen eigenen Namen gab: Drishti. Warum? Weil der Yogi dem Segen des ruhigen Geistes auf der Spur ist: YOGA Chitta Vritti Nirodah (YOGA Sutra 1.2). Aber der fleischgewordene Menschenverstand sucht ständig nach Zerstreuung und der Seh-Sinn ist ein Hund, der dort und da herumschnofelt und seine Nase überall hineinsteckt. Den ganzen Tag lang, und besonders auffällig wird’s während der Asana-Praxis. Denn ja natürlich er findet immer was: ein Fitzerl am Boden auf der YOGAmatte, eine sich auflösende Naht an den YOGA Hosen, ein Mandala an der Wand, ein graues Haar im Hair-do der Yogalehrerin…. Es gibt immer etwas zu sehen, was ihn augenblicklich beschäftigen und er most likely auch noch bewerten kann, damit der Geist nur nicht zur Ruhe kommen muss. Was aber schlau wäre. Gelingt es dem Yogi sein Drishti zu zähmen, gleicht das einem Shortcut ins Nirvana. Echt? Ja, bestimmt … ausprobieren, nur zu!
Den Geist auf die Spitze getrieben
Denn wenn Drishti mit einem weichen, defokussierten Blick auf nur einen Punkt gerichtet ist, entspricht das der sogenannten ‚Einspitzigkeit des Geistes’ (‚ekagrata’) und diese bringt uns in einen Zustand von verändertem Bewusstsein, sogen. Meditation. Dieses Phänomen kultivieren die alten sitzenden Yogis seit Patanjali – immerhin seit fast 2000 Jahren – und der moderne Asana-fixierte Yogi sucht es theoretisch ebenso in der YOGA-Praxis. Und das besonders in der Tradition des Ashtanga Vinyasa YOGA. Was dessen Gründer Sri Prattabhi Jois ahnte, aber damals bestimmt noch nicht evidenzbasiert wusste: die Bewegungen der Augen wirken auf das Nervensystem, ganz wesentlich auf die Ausrichtung der Wirbelsäule und bis in jede einzelne Zelle.
Quadratische Augen
Irritiert werden die Augen, auch bei den virtuellen YogalehrerInnen, am allermeisten durch Bildschirmarbeit. Sogar das Unterbewusstsein vergisst bei der Computer-Arbeit zu blinzeln (wie macht es das?) und der Mensch hält den Blick starr statt weich und weit. Und schon ist das Malheur passiert, wenn wir den Augen nicht ab und zu eine kleine Siesta mit z. B. einem ‚Blick zum Meer’ gönnen. Es hilft auch den Blick in die nächste grüne Baumkrone oder zu den weißen Wolken zu richten, wenn gerade kein azurblaues Meer in Sichtweite ist. Denn das läßt die Augen aufatmen. Zum einen gibt es durch den starren Blick einen tatsächlich ungünstigen Effekt auf die körperliche Haltung (siehe oben) zum andern bleibt der Bildschirm-Mensch auch leichter in Emotionen oder Gedanken stecken. Also wieder nix mit der Ruhe des Geistes. Gezielte Augenmuskel-Bewegungen oder ausgedehnte Spaziergänge im Wald wären das heilsame Gebot der Home Office-Stunde, denn sie vernetzten die Gehirnregionen neu, machen gute Laune und bringen uns auf andere Gedanken oder best case … in die innere Stille.