‚Was ist Yoga?‘, hab ich heute meine YOGA SchülerInnen zu Beginn der YOGA Klasse gefragt. Was ich zu hören bekam, war interessant … weil es auch die Gründe widerspiegelt, warum die Leute zum YOGA kommen: Entspannung, Dehnung, Körperbewusstsein, waren die häufigsten Antworten. Ganz leise kam noch ‚Atmen‘ … Gott sei Dank! Und in der Klasse der fortgeschrittenen Yogi*nis auch noch ein zögerliches ‚Philosophie‘, ein ‚Körper, Geist und Seele‘ und eine Stimme meint wohl eine ‚Lebenseinstellung‘. Ist alles nicht falsch, aber auch nicht ganz am Punkt.
Patanjali
Geht man an die Wurzeln des YOGA, findet man Texte, Schriften, den Indern heilige Schriften. Und dort findet man bei Patanjali (vmtl. 2. Jhd. vor Christus) das passende Sutra. Sutren sind kurze Sätze, wie Affimationen, die sehr stark verdichtete Lehrsprüche darstellen, eine Essenz, eine Wahrheit, eine Wirklichkeit. Nun, Patanjali’s vermutlich berühmtestes Werk ‚YOGAsutra‚ gibt im ersten Buch die Antwort : ‚YOGAS chitta vritti nirodah‚ (Yoga Sutra 1.2)
YOGA, das ist ein ‚Zustand der Selbstverwirklichung, in dem die mentalen Muster zur Ruhe kommen‘. Nimmt man den Lehrsatz auseinander und übersetzt großzügig und frei ‚chitta‚ mit einem ruhigen See und ‚vritti‚ mit Wellen … so könnte man folgende Methapher finden: Wenn auf dem See des Bewusstseins kein Wind die Wellen der Gedanken bewegt … dann findet YOGA im klassischen Sinne statt.
Hatha YOGA
Tatsächlich ist das Wissen über diese Dimension und Qualität des YOGA bei uns in den westlichen YOGA Studios noch nicht angekommen. Die meisten Menschen verstehen unter YOGA die eine oder andere Form von Körperübungen. Selbst unter YogalehrerInnen – so stelle ich zu meinem Erstaunen immer wieder fest – gibt es nicht genug Klarheit über die Terminologie: Hatha Yoga wird oft gleicht gesetzt mit z.B. Anusara Yoga, Ashtanga Yoga, Vini Yoga, Knoff Yoga, Iyengar Yoga… das ist tatsächlich nicht ganz korrekt. Hatha Yoga wäre der Oberbegriff für die genannten und für alle anderen bei uns so populären YOGA Schulen ebenso.
Jede Form von YOGA, die Körper- und Atem-Übungen im Mittelpunkt stellt ist Hatha Yoga, ein Begriff, der aus einer YOGA Richtung des Mittelalters, dem Tantra, kommt. Mit einem modernen Bild verglichen wäre Hatha Yoga auf der Stufe wie das Wort ‚Auto‘ und die einzelnen Auto-Marken (Trabant, VW Käfer, Opel etc.) entsprächen den YOGA Schulen wie Ashtanga Yoga, Vini Yoga, Knoff Yoga, Iyengar Yoga etc. Alles klar?!
YOGA Essenz
Also, was mich in meiner Rolle als YOGA Lehrerin betrifft, werd ich dran bleiben und die ‚vrittis‘ – die Wirbel in den Köpfen – meiner Hatha-YOGA SchülerInnen soweit beruhigen, dass zumindest klar ist, was YOGA nicht ist: keine Ersatz-Religion, kein Fitness-Programm, keine Sekte, kein Sport, kein Entspannungsprogramm, kein Senioren-Turnen, keine Therapie, keine Energiearbeit, kein Chor, kein Hokus-Pokus. Manches davon kann eine mehr oder weniger erwünschte Folgeerscheinung einer YOGA Praxis sein.
Aber YOGA ist im Kern und auf der ganzen Welt immer noch eine geistig-seelische, individuelle Erfahrung und ein Erlebnis als Resultat eines meditativen Zustandes, der zunächst in der Konzentration in beginnt und in eine universelle Verbundenheit gelangt: ‚YOGA chitta vritti nirodah.‘ Hatha YOGA ist eine wunderbar heilsame Vor-Übung, auf die ich in meinem Leben unter keinem Fall verzichten möchte. Und irgendwann, so hoffe ich, wird mich der Zustand auch finden, wo der stille See in mir fast keine Wellen hat.
Mehr über das YOGA Sutra 1.2 findest du hier auf der Website von YOGA International. …aus dem Wissensschatz des spirituellen Leiters des Himalayan Institute, Pandit Rajmani Tigunait.
‚Meditation and contemplation are powerful tools for training and disciplining the mind.‘