Von Goethe’s Faust besitzt er vier verschiedene Ausgaben. Nicht wegen der Gretchen-Frage, wegen dem Lebens-Schicksal, dem vollen Leben interessiert ihn das Werk ganz besonders. Das erzählt mir der pensionierte passionierte evangelische Pfarrer Albrecht Strebel bei meinem Besuch gleich am Anfang.
‚Welches Buch hat Sie am meisten geprägt?’, frage ich ihn gespannt als er in seinem tiefen Lesesessel vor der Bibliothek Platz genommen hat. ‚Von dem deutschen Psychotherapeut und Zen-Lehrer Graf Dürckheim ‚Transzendenz als Erfahrung’’, meint er nachdenklich und dann sagt er aber die Bibel hat mich von Kind auf begleitet’.
YOGA Jahrzehnte in Mondsee
22 Jahre lebt er nun in Mondsee. Zunächst in der Wagner-Mühle dann am bis zum April dieses Jahres Mondseeberg. Als er hergekommen ist, war er als Pfarrer in Stuttgart schon in Pension gegangen. Natürlich hat er sich trotzdem um die evangelische Gemeinde von Mondsee gekümmert. ‚Diese ist ja klein und da sind kaum Einheimische’, meint er mit einem leichten Anflug von Bedauern.
Zunächst hat er mit einem Meditations- und Yogakreis in Attersee begonnen, 2006 waren seine ersten Yoga-Treffen im großen Pfarrsaal der katholischen Pfarre Mondsee. Bis vor Kurzem übten regelmäßig Frauen und Männer Yoga und Meditation mit ihm.
G’spür für den Körper
Was er vermitteln will, nennt er ‚die große Synthese’:
Die Verbindung von verschiedenen Traditionen: die christliche, die europäische, die indische. Und die Offenheit für andere Religionen und Philosophien. Erst durch die Einbeziehung des Leibes – mit der Yoga-Praxis – ist das für ihn möglich geworden,
‚Ja, weil das G’spür für den Körper wichtig ist’, sagt Hr. Pfarrer Strebel.
Seine ‚Yoga-Karriere’ hat er als Studentenpfarrer in den frühen 1970er Jahren begonnen, wo er bereits in Zeiten von New Age, Flower-Power und Aufbruch-Stimmung als Meditationslehrer in der evangelischen Akademie im baden-würtembergischen Bad Boll unterrichtet hat. Zufällig war bei seiner ersten Tagung ein Yogalehrerin anwesend und hat Körperübungen mit der Gruppe gemacht. Mit einem Nicken sagt er: ‚Das hat so gut reingepasst als Vorbereitung für das Sitzen, die Stille.’ Seitdem hat er bis heute, immerhin fast 50 Jahre, nie eine Meditations-Veranstaltung ohne Körperübungen aus dem Yoga gemacht.
YOGA und die Angst vor dem Fremden
‚Damals ist ja Yoga in der Kirche sehr umstritten gewesen und wurde sehr viel angegriffen.’, berichtet Hr. Strebel. Ich frage ihn, ob er von den Vorwürfen des ‚Satanismus im Yoga‘ von dem Pfarrer Wagner aus Windischgarsten gehört habe. Hat er nicht. Das find ich gut und erzähl ihm ganz kurz davon. Er meint: ‚Dieser Mann kann keine Ahnung haben vom Yoga. Der hat Angst vor etwas Fremden. Abwehr kommt aus der Angst.’ Und der Pfarrer Strebel, als ein Leser vor dem Herrn, verweist mich auf das Buch ‚Yoga für Christen’ (1991) von Wieland Schmid.
Die eigene Synthese finden
In den 1980er Jahren ist ihm ein indischer Bischof in Bad Boll begegnet, der einen christlichen Yoga praktiziert, und seitdem war zumindest ihm sonnenklar:
‚Wenn ein indischer evangelischer Bischof Yoga macht, muss das was Gutes sein!’
Dennoch ist ihm die strenge Lebensführung, wie es der achtgliedrige Weg des Yoga, vorgibt, ein zu hoher Anspruch gewesen. ‚Ich bin auch kein Vegetarier’, sagt er. ‚Aber ich hab versucht, das rauszuziehen, was für mich wertvoll ist … meine eigene Synthese zu finden’. Das hat er auch mit anderen Themen so gehalten: Zen-Buddhismus, Anthroposophie, Philosophie etc.
Entsprechend umfangreich und vielschichtig sind seine Bücherregale sortiert. Tja, das Zurücklassen seiner Bücher fällt ihm gar nicht leicht. Ich verspreche ihm, dass ich mich zumindest um die Yoga-Literatur kümmern werde, die nehme ich ihm sehr gerne ab.
Sich nicht verdrehen lassen
Denn in diesen Tagen, im Alter 85 Jahren, zieht es ihn zurück in seine Heimat, Richtung Stuttgart. Seit ein paar Wochen ist der Lebensabschnitt Mondsee für ihn Geschichte.
Ich frag ihn, ob er dem Mondseeland zum Abschied etwas mitgeben möchte. Kurz überlegt er: ‚Bei allem, was da aus der Welt auf uns zukommt, seid offen aber bewahrt euch selbst einen gewissen Standpunkt.’ So hat er es schließlich auch selbst gehalten.